Eingliederungshilfe

Die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen war bis Ende 2019 eine (staatliche) Leistung der Sozialhilfe nach dem SGB XII. Die Leistungen der Eingliederungshilfe sind in etwa vergleichbar mit den Rehabilitations- und Teilhabeleistungen der Rehabilitationsträger.

Umstrukturierung der Eingliederungshilfe durch BTHG

Durch das Bundesteilhabegesetz wurde die Eingliederungshilfe massiv umstrukturiert und verändert. Zum 1. Januar 2020 wurde das Eingliederungshilferecht aus dem Sozialhilferecht herausgelöst und als Teil 2 in das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) übernommen. 

Reform der Eingliederungshilfe – was hat sich 2020 geändert?

Das Eingliederungshilferecht wurde durch Bundesteilhabegesetz zum 1. Januar 2020 als Teil 2 unter der Überschrift „Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen“ ins SGB IX aufgenommen. Somit sind die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nicht mehr im Sozialhilfererecht verortet, sondern als Fachleistungen zur Sozialen Teilhabe in Teil 2 des SGB IX.

Mit der neuen Eingliederungshilfe soll sich die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen stärker an deren persönlichem Bedarf orientieren und durch ein bundeseinheitliches Verfahren personenbezogen ermittelt werden, statt wie bislang abhängig von der Wohnform (Einrichtung, Betreutes Wohnen oder Privathaushalt) zu sein.

Neuerungen:

  • Die jeweiligen Träger der Eingliederungshilfe erbringen nur noch die reinen Fachleistungen (Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe), während die sogenannten existenzsichernden Leistungen (Kosten der Unterbringung und Verpflegung) durch die Träger der Sozialhilfe nach SGB XII erbracht werden.
  • Die Fachleistungen der Eingliederungshilfe wurden um die Leistungsgruppen „Teilhabe an Bildung“ und „Soziale Teilhabe“ ergänzt.
  • Die Einkommens- und Vermögensfreigrenzen werden schrittweise erhöht, sodass Menschen mit Behinderungen künftig nicht mehr mittellos sein müssen, um Anspruch auf Eingliederungshilfe zu haben.
  • Das bundesweit vergleichbare und im Bundesteilhabegesetz festgeschriebene Gesamtplanverfahren soll die Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfeträger erhöhen. Die Hilfebedarfsermittlung, die Teil des Gesamtplanverfahrens ist, soll sich eines Instruments bedienen, das sich an der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) orientiert.
  • Laut Übergangsregelung in § 241 SGB IX waren die Träger der Sozialhilfe (Sozialämter) bis zum 31. Dezember 2019 für die Eingliederungshilfe zuständig. Die Bundesländer haben die „Träger der neuen Eingliederungshilfe“ (spätestens ab 2020) nach § 94 Absatz 1 SGB IX  festgelegt. Die Webseite „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz / Umsetzungsstand in den Ländern“ informiert darüber, welche Institutionen im jeweiligen Bundesland benannt wurden (siehe unten, Externe Links).

Leistungsberechtigter Personenkreis

Anspruch auf Eingliederungshilfe besteht nur nachrangig, das heißt: Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden nur unter der Voraussetzung gewährt, dass die Leistungen nicht durch einen vorrangig verpflichteten Leistungsträger wie insbesondere die Krankenversicherung, Rentenversicherung oder Agentur für Arbeit erbracht werden.

Menschen mit nicht nur vorübergehenden geistigen, körperlichen oder seelischen/psychischen Behinderunen haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre Fähigkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch die Behinderungen wesentlich eingeschränkt sind. In allen anderen Fällen (nur vorübergehende oder nicht wesentliche Behinderungen) steht die Eingliederungshilfe im Ermessen des zuständigen Trägers.

Hinweis: Im Zuge der Sozialrechtsreformen durch Bundesteilhabegesetz (BTHG) sollte der „leistungsberechtigte Personenkreis in der Eingliederungshilfe“ ursprünglich zum 01.01.2023 neu definiert werden (Artikel 25a BTHG, § 99 SGB IX) und bis dahin in Modellvorhaben erprobt werden. Diese Reformstufe wurde inzwischen gestrichen.

Der Personenkreis, der Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe hat, ist im SGB IX seit 1. Juli 2021 durch Teilhabestärkungsgesetz (TeilhStG) neu geregelt. Der Gesetzgeber kommt damit einem Auftrag aus dem 2016 verabschiedeten Bundesteilhabegesetz (BTHG) nach. Die Beschreibung der Anspruchsberechtigung erfolgt nun in einer modernen und diskriminierungsfreien Sprache.

In Absatz 1 § 99 SGB IX heißt es: „Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten Menschen mit Behinderungen im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 und 2, die wesentlich in der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft eingeschränkt sind (wesentliche Behinderung) oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, [...]“.

Die Bundesregierung ist ermächtigt, weitere Konkretisierungen zum Personenkreis in einer Rechtsverordnung vorzunehmen. Bis dahin gelten die Kriterien der sogenannten Eingliederungshilfe-Verordnung zunächst weiter.

Dauer der Leistungen

Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden erbracht, um eine drohende Behinderung zu verhindern (Prävention) oder um eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und so Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewährleisten (Rehabilitation und Inklusion).

Eingliederungsleistungen sollen so lange gewährt werden, bis die Ziele der Eingliederungshilfe erfüllt sind bzw. die Aussicht besteht, dass die Ziele erfüllt werden können. Für die Beurteilung der Zielerreichung sind Stellungnahmen von Ärztinnen und Ärzten, Einrichtungen und sonstigen sachverständigen Personen, die auch am Gesamtplan beteiligt sind, ausschlaggebend.

Antragspflicht (neu!)

Um Leistungen der Eingliederungshilfe zu erhalten, bedarf es nun eines Antrags (§ 108 Absatz 1 SGB IX). Dieser wirkt auf den ersten Tag des Monats zurück, in dem er gestellt wurde. Leistungen für die Vergangenheit sind nicht möglich. Ein formloser Antrag genügt, solange die Identität der Antragstellerin oder des Antragstellers feststeht. Die  Antragstellenden müssen deutlich machen, dass sie Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten möchten.

Anrechnung von Einkommen und Vermögen

Für den Erhalt von Eingliederungshilfe müssen Menschen mit Behinderungen nur das übersteigende eigene Vermögen einsetzen bzw. bei Minderjährigen das der Eltern. Partnereinkommen und -vermögen werden nicht mehr herangezogen. Ist Vermögen nicht sofort verwertbar, wird ein Darlehen gewährt. Leistungen, die zuzahlungsfrei sind (laut § 138 SGB IX), sind ohne Einsatz von Vermögen zu erbringen.

Die Einkommens- und Vermögensfreigrenzen wurden schrittweise erhöht. Seit 2017 wurde der Einkommensfreibetrag um bis zu 260 Euro monatlich und der Vermögensfreibetrag um 25.000 Euro erhöht. (Die Einkommensgrenzen, auf die bei den einzelnen Maßnahmen verwiesen wird, dürfen allerdings nicht überschritten werden.)

Der Schonbetrag für Barvermögen für Bezieherinnen und Bezieher von SGB XII-Leistungen wurde von 2.600 auf 5.000 Euro angehoben. Ab 2020 steigt der Vermögensfreibetrag auf rund 50.000 Euro.

Übersicht über die Fachleistungen der Eingliederungshilfe

Die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen umfassen Leistungen aus vier Leistungsgruppen der Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe:

A. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (ab dem 1.1.2020 SGB IX Teil 2, Kapitel 3)
Sie entsprechen den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, beispielsweise in stationären Einrichtungen für Personen ohne vorrangige Ansprüche gegenüber Krankenkassen oder Rentenversicherungsträgern – insbesondere für suchtkranke und psychisch kranke Menschen.

  • Kuren
  • Reha-Sport
  • Früherkennung
  • Heilmittel
  • Therapien

B. Teilhabe am Arbeitsleben: Leistungen zur Beschäftigung (ab dem 1.1.2020 SGB IX Teil 2, Kapitel 4)

Für Menschen, die aufgrund der Schwere ihrer Behinderung nicht auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können.

C. Leistungen zur Teilhabe an Bildung (ab dem 1.1.2020 SGB IX Teil 2, Kapitel 5)

Beispielsweise zur angemessenen Schul- oder Berufsausbildung für behinderte Kinder und junge Menschen in stationären Einrichtungen oder behinderungsbedingt notwendige Leistungen zur Hochschulausbildung, wie z. B. Studienassistenz oder technische Hilfsmittel.

D. Leistungen zur Sozialen Teilhabe (ab dem 1.1.2020 SGB IX Teil 2, Kapitel 6)

Formen der Leistungen der Eingliederungshilfe

Die Leistungen der Eingliederungshilfe können ab dem 1. Januar 2020 gemäß § 105 SGB IX in verschiedenen Formen erbracht werden, nämlich als

  • Dienstleistung (Beratung und Unterstützung durch den Träger der Eingliederungshilfe),
  • Sachleistung,
  • pauschale Geldleistung (beispielsweise für Assistenzleistungen, zur Förderung der Verständigung oder für Leistungen zur Mobilität) oder als
  • Persönliches Budget.

Gesamtplanverfahren

Grundsätzlich werden Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe von den Rehabilitationsträgern (gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit, gesetzliche Unfallversicherung, Träger der Eingliederungshilfe, öffentliche Jugendhilfe) erbracht.

Immer dann, wenn Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht kommen, erfolgen  Bedarfsermittlung und Gesamtplanung solcher Leistungen durch den Träger der Eingliederungshilfe. Das Gesamtplanverfahren ist dann Bestandteil der sogenannten Teilhabeplanung und regelt die Besonderheiten der Eingliederungshilfe. Neben den Leistungsbereichen der oben genannten Rehabilitationsträger sind hier außerdem auch die zuständigen Pflegekassen und die Sozialhilfeträger zu beteiligen.

Träger der Eingliederungshilfe

Die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen ist – im Gegensatz zu den Leistungen der sonstigen Rehabilitationsträger – eine steuerfinanzierte Leistung. Sie wird durch die Träger der Eingliederungshilfe erbracht.

Laut Übergangsregelung in § 241 SGB IX waren die Träger der Sozialhilfe (Sozialämter) bis zum 31. Dezember 2019 für die Eingliederungshilfe zuständig. Die Bundesländer haben die „Träger der neuen Eingliederungshilfe“ (spätestens ab 2020) nach § 94 Absatz 1 SGB IX  festgelegt. Die Webseite „Umsetzungsbegleitung Bundesteilhabegesetz / Umsetzungsstand in den Ländern“ informiert darüber, welche Institutionen im jeweiligen Bundesland benannt wurden (siehe unten, Externe Links).

(ml) 2024 (02/2024)